Wir sind sprachlos angesichts der Gewalteskalation in Israel & Palästina und verurteilen jeglichen Terror und Gewalt gegen Zivilpersonen.
In Anbetracht unserer eigenen Sprachlosigkeit, der komplexen Sachlage, der unsicheren Informationslage und angesichts des antisemitischen wie auch antimuslimischen Hasses, der immer lauter wird, wollen wir Bücher sprechen lassen. Denn sie geben Raum für Menschlichkeit, für zwischenmenschliche Geschichten, für Grauzonen und Widersprüche. Dieser Raum scheint gerade verloren zu gehen, weshalb wir – besonders bei diesem Konflikt – einen differenzierteren Blick wagen möchten.
Im November folgt täglich ein Buchtipp: Sachbücher, Romane, Lyrik oder Graphic Novel; literarisch anspruchsvoll bis unterhaltsam; aktuell oder zeitlos; subjektiv, aber multiperspektivistisch, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Wir haben unsere Bücherregale durchsucht und mit den Literaturtagen verbundene Autor*innen und Übersetzer*innen um Tipps gefragt.
Entstehen soll ein Kaleidoskop von Stimmen, die von Gewalt, aber auch von Liebe erzählen, die Vertiefung ermöglichen sowie ein bisschen Hoffnung und Trost bieten.
1.11.: Ibtisam Azem, Das Buch vom Verschwinden, Lenos 2023
Aus dem Arabischen von Joël László (Übersetzer im Porträt an den Literaturtagen 2023)
«Gerade anhand dieser Dystopie denkt Ibtisam Azem über die Bedingungen einer israelisch-palästinensischen Freundschaft nach. Und legt uns eindringlich nahe, dass Zuhörenkönnen und die Bereitschaft, den Anderen zu sehen und wahrzunehmen, die unabdingliche Grundlage jeder Beziehung sind, die dereinst in ein gemeinsames Erinnern münden soll.» Joël László (Autor und Übersetzer)
2.11.: Amos Oz, Black Box, Suhrkamp 1989
Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama
3.11.: Muriel Asseburg/Jan Busse, Der Nahostkonflikt, C.H.Beck Wissen 2016
«Knapp, fundiert und verständlich bietet dieses Buch einen Überblick über die Geschichte und die Konfliktlinien im Nahen Osten. Eine Orientierungshilfe zwischen Politik, Presse und Propaganda.» Nathalie Widmer (Co-Leitung Solothurner Literaturtage)
4.11.: Adania Shibli, Eine Nebensache, Berenberg Verlag 2022
Adania Shibli an den Literaturtagen 2022 (Reading & Talk)
Aus dem Arabischen von Günther Orth
«Dieser Roman nimmt eine Notiz aus der Kriegsberichterstattung auf und weitet sie aus, er findet eine Sprache für jene Gewalt, die sich der Menschen bemächtigt, wenn ein Krieg nicht mehr Krieg genannt wird. Wenn Ermordungen und Vertreibung Teil administrativer Vorgänge geworden sind, die international kaum noch Schlagzeilen machen.» Annette Hug in der Wochenzeitung
5.11.: Dorit Rabinyan, Wir sehen uns am Meer, Kiepenheuer & Witsch 2016
Aus dem Hebräischen von Helene Seidler
6.11.: Mascha Kaléko, Mein Lied geht weiter, dtv 2007
«Mascha Kaléko selbst nannte ihre Texte ‚Gebrauchslyrik‘: Zu jeder Lebenslage findet sich darin ein Rat. Es gelingt ihr, Trauer und Verzweiflung, Einsamkeit und Ratlosigkeit einzufangen, zu benennen und den erdrückenden Gefühlen im gleichen Moment die Schwere zu nehmen – und sogar zu lachen über Banalitäten wie Putzmittel, Bürojobs, Emigrantenkindererziehung; aber auch über Weltpolitik.» Mariann Bühler (Autorin und Literaturvermittlerin)
7.11.: Ali Al-Kurdi, Der Schamaya-Palast, Wallstein 2022
Aus dem Arabischen übersetzt von Larissa Bender
«Der palästinensische Junge Ahmad, nach der Gründung Israels aus seiner Heimat vertrieben, findet sich plötzlich im jüdischen Viertel von Damaskus wieder. In seinem autobiografisch grundierten Roman erzählt Ali Al-Kurdi über das nachbarschaftliche Leben von Muslimen, Christen und Juden im Mikrokosmos der Damaszener Altstadt, zeigt aber auch, wo das gegenseitige Verständnis infolge gesellschaftlicher und internationaler Faktoren an seine Grenzen stösst.» Larissa Bender (Übersetzerin)
8.11.: Michael Wolffsohn, Eine andere Jüdische Weltgeschichte, Herder 2023
«Wer sich über die Geschichte nicht nur des Staates Israel, sondern auch der Juden in der weltweiten Diaspora kundig machen, aber nicht durch sperrige historische Fachprosa kämpfen will, der greife zu Wolffsohns Band Eine andere Jüdische Weltgeschichte – ein Grosswerk, detailliert und fundiert, trotzdem mit leichter Feder verfasst, nicht ohne leidenschaftliches Engagement und persönlichen Kommentar.» Alexander Estis (Autor)
9.11.: Edward W. Said, Orientalismus, S. Fischer Verlag 2009
Aus dem Englischen von Hans Günter Holl
«Ce livre majeur a mis en avant l’idée que l’Orient était en fait une construction, un discours basé sur le corpus littéraire et artistique produit par les artistes et écrivains des pays qui allaient par la suite conquérir cette partie du monde et la soumettre au joug colonial. En d’autres termes, avant même l’arrivée des puissances européennes dans la région, l’esprit de l’Europe était acquis à l’idée d’une supposée infériorité naturelle de ce qui allait devenir le Moyen-Orient. Dès sa sortie, considéré comme un classique, Orientalism a véritablement marqué le début des études postcoloniales, ouvrant ainsi un lieu important de la critique culturelle contemporaine.» Henri Michel Yéré (Autor, Soziologe und Mitglied der Programmkommission)
10.11.: Zeruya Shalev, Schmerz, Piper 2016
Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler
11.11.: Dschabra Ibrahim Dschabra, Der erste Brunnen, Lenos 2001
Aus dem Arabischen von Kristina Stock
«Eine Kindheit in Palästina nach dem ersten Weltkrieg, nach der Osmanenherrschaft, aber vor der Staatsgründung Israels. Eine Mischung aus Erinnerung, Ängsten und Träumen von einer wichtigen Stimme der palästinensischen und arabischen Literatur. Ein Buch voll Wehmut und kindlicher Begeisterung, das Mitfühlen lässt beim ersten Schmerz und beim ersten Glück. Auf dass wir zwischen aller Weltpolitik die Empathie nicht verlieren.» Philine Erni (Solothurner Literaturtage)
12.11.: Guy Delisle, Aufzeichnungen aus Jerusalem, Reprodukt 2012
Aus dem Französischen von Martin Budde
«Guy Delisle, auteur de nombreuses chroniques de villes où l’emmène le travail de sa femme (médecin sans frontières), décrit dans celle-ci son quotidien à Jérusalem. Père au foyer et reporter malgré lui, il dépeint avec humour et intelligence la ville, le terrain, la colonisation, les lieux saints, les personnes, la vie. À la fois journal, carnet de voyage et essai graphique, ce livre paru il y a douze ans porte également un regard critique sur les discours et la médiatisation du conflit israelo-palestinien.» Camille Logoz (Übersetzerin)
13.11.: Tom Segev, Es war einmal ein Palästina, Pantheon 2006
Übersetzt aus dem Englischen von Doris Gerstner
«Tom Segev, einer der renommiertesten Historiker Israels, hat mehr als einen Mythos seines Landes kritisch hinterfragt. Er schreibt immer fundiert und differenziert.» Katrin Eckert (Intendantin des Literaturhaus Basel)
14.11.: Will Eisner, Das Komplott, Carlsen 2022
Übersetzt aus dem Englischen von Jörg Krismann
«Der aussergewöhnlichste Aspekt der Protokolle der Weisen von Zion ist nicht etwa die Geschichte ihrer Entstehung, sondern diejenige ihrer Rezeption. Dass diese Fälschung von den Geheimdiensten und der Polizei von mindestens drei Ländern hergestellt wurde und eine Collage unterschiedlicher Texte darstellt, ist inzwischen wohlbekannt – Will Eisner erzählt die gesamte Geschichte, unter Berücksichtigung der neusten Forschungsergebnisse.» Umberto Eco
15.11.: Hala Alyan, Häuser aus Sand, Dumont 2018
Übersetzt aus dem Englischen von Michaela Grabinger
«Hala Alyan erzählt von fünf Generationen der Familie Yacoub und davon, wie das Trauma der Vertreibung aus Palästina sich vererbt und in jeder weiteren Generation verändert. … Sie wählt den dramaturgisch geschickten Kniff, in jedem Kapitel eine andere Figur sprechen zu lassen, meist Frauenfiguren, und chronologisch einige Jahre voranzuschreiten. So verfolgt man die Entwicklung der Familie aus der Nähe, lernt durch die Perspektivwechsel aber auch die unterschiedlichen Blickwinkel kennen.» Deutschlandfunk Kultur
16.11.: Charlotte Wiedemann, Den Schmerz der Anderen begreifen, Propyläen 2022
«Wir leben in einer Gegenwart mit ideologisch aufgeheizten Wahrnehmungen, in der nur allzu oft nicht alles menschliche Leid gleich zählt. In ihrem respektvollen Buch denkt die Publizistin Charlotte Wiedemann darüber nach, wie ein Erinnern für eine Welt aussehen muss, in der es keine Hierarchie von Leiderfahrungen mehr gibt und keinen Schmerz, der nicht zählt – und zwar so, dass die Shoah neben den Verbrechen des Kolonialismus, der Unmenschlichkeit des transatlantischen Sklavenhandels und den Kriegsverbrechen der jüngsten Vergangenheit eine der zentralen Säulen in einem wirklich universalen Weltgedächtnis bleibt.» Aram Mattioli (Historiker, Professor für Geschichte an der Universität Luzern)
17.11.: Deborah Feldman, Unorthodox, Secession Verlag 2016
Übersetzt aus dem Englischen von Christian Ruzicska
18.11.: We Are Not Numbers. Junge Stimmen aus Gaza, Lenos 2019
Übersetzt aus dem Englischen von Lorenz Oehler
«When the world talks about Palestinians living under occupation and in refugee camps, it is usually in terms of politics and numbers. But numbers are impersonal and often numbing. What they don’t convey are the daily personal struggles and triumphs, the tears and the laughter, and the aspirations that are so universal that if it weren’t for the context, they would immediately resonate with virtually everyone.That’s why established and aspiring ‹word artists› from around the world have joined with youth in Gaza, and now Lebanon, to create We Are Not Numbers. Through this platform, we share and celebrate their stories, with experienced authors mentoring young writers.» wearenotnumbers.org
19.11.: Albert Einstein, Sigmund Freud, Warum Krieg? Diogenes 1972
«Es gäbe genug Geld, genug Arbeit, genug zu essen, wenn wir die Reichtümer der Welt richtig verteilen würden, statt uns zu Sklaven starrer Wirtschaftsdoktrinen oder -traditionen zu machen. Vor allem aber dürfen wir nicht zulassen, dass unsere Gedanken und Bemühungen von konstruktiver Arbeit abgehalten und für die Vorbereitung eines neuen Krieges missbraucht werden.» Albert Einstein
20.11.: Rashid Khalidi, Palestinian Identity, Columbia University Press 1997
«Ce livre permet de comprendre l’émergence d’une identité palestinienne, dans le contexte de la naissance d’autres nationalismes aux 19e et 20e siècles. Bien documenté, il renseigne particulièrement bien sur la situation politique de la Palestine mandataire (britannique) avant la naissance de l’État d’Israël en 1948, et donne à réfléchir sur la continuité du sentiment national d’un peuple dont le destin a été boulversé au sortir de la Guerre de 1948.» Henri Michel Yéré (Autor, Soziologe und Mitglied der Programmkommission)
21.11.: David Grossmann, Eine Frau flieht vor einer Nachricht, Hanser 2009
Übersetzt aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer
«Die Mutter eines israelischen Soldaten flieht in die Unerreichbarkeit, als könnte sie das vor einer schlechten Nachricht beschützen. Ein Krieg legt sich über den anderen, Erinnerung und Gegenwart verschränken sich ineinander – und immer von neuem wird der Versuch unternommen, dem starren Entsetzen das Erzählen, dem Trauma die Zärtlichkeit entgegenzusetzen. Dieser Roman von Grossman ist wie ein grosses Zittern, das unter die Haut geht.» Bettina Spoerri (Autorin)
22.11.: Meron Mendel, Über Israel reden, Kiepenheuer&Witsch 2023
«Wir haben ein winziges Stück Land, auf dem zwei Völker seit hundert Jahren gegeneinander kämpfen. Und wir haben ein paar Milliarden Menschen auf der Welt, die auf diesen Fleck Erde schauen und ihre eigenen Bedürfnisse hineinprojizieren – Dschihadisten und Evangelikale ebenso wie Teile der postkolonialen Linken, die Israel als Vorposten des Westens im Globalen Süden und aktuelles Beispiel für Kolonialismus sehen.» Meron Mendel in der Wochenzeitung
23.11.: Mahmud Darwisch, Belagerungszustand, Verlag Hans Schiler 2005
Übersetzt aus dem Arabischen von Stephan Milich
«Darwisch wurde als einer der herausragendsten Dichter in der arabischen Welt und als die poetische Stimme des palästinensischen Volkes bezeichnet. (…) Sein Lebenswerk ist vom politischen Engagement für einen unabhängigen palästinensischen Staat geprägt. Trotzdem setzte er sich für ein friedliches Zusammenleben mit den Israelis ein. Er war ein gleichermaßen scharfer Kritiker der israelischen Politik und der palästinensischen Führung.» Frankfurter Allgemeine Zeitung
24.11.: Omri Boehm, Israel – eine Utopie, Propyläen 2020
Übersetzt aus dem Englischen von Michael Adrian
Der deutsch-israelische Philosoph Omri Boehm, Professor an der renommierten New School for Social Research in New York, bezeichnet die Zweitstaatenlösung als definitiv gescheitert und hat 2020 in seinem Buch «Israel – Eine Utopie» eine binationale Republik auf dem Gebiet des heutigen Israels und Palästina vorgeschlagen. Am 28. Oktober war er bei Barbara Bleisch und Wolfram Eilenberger in der Sternstunde Philosophie.
25.11.: Dana Vowinckel, Gewässer im Ziplock, Suhrkamp 2023
26.11.: Sahar Khalifa, Die Sonnenblume, Unionsverlag 1982
Übersetzt aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich und Edward Badeen
«Es gehört zu den Vorzügen von Sahar Khalifa, dass sie von Politik so gut wie nicht spricht und dennoch die Folgen der Politik für ihre Erzählfiguren immer beklemmend gegenwärtig sind. Eine repräsentative Stimme der arabischen Literatur ist vernehmbar geworden.» Frankfurter Allgemeine Zeitung
27.11.: Colum McCann, Apeirogon, Rowohlt 2022
Übersetzt aus dem Englischen von Volker Oldenburg
«Colum McCann entwirft in seinem berührenden, teilweise unendlich schmerzhaften Roman die einzig mögliche, die einzig angebrachte Perspektive auf den Nahostkonflikt, nämlich diejenige durchs Kaleidoskop. Alles ist Bruchstück; ein Reigen von kurzen Betrachtungen und Szenen, verfasst in einer Sprache von betörender Schönheit, erlaubt uns die Annäherung an Bassam Aramin und Rami Elhanan, zwei Väter, die beide ihre Töchter durch den Konflikt verloren haben, der eine Palästinenster, der andere Israeli. Ihrer Freundschaft und ihrem gemeinsamen Engagement als Friedensaktivisten setzt dieses Buch ein Denkmal.» Mirjam Läubli (Geschäftsführerin des Zürcher Forum der Religionen)
Ausserdem gerade erschienen: Wie Frieden geht. Ein Interview mit Bassam Aramin und Rami Elhanan, Buchverlag Lokwort 2023
28.11.: Lizzie Doron, Nur nicht zu den Löwen, dtv 2023
Übersetzt aus dem Hebräischen von Markus Lemke
«Erzählen ist Rivis Widerstand. Um Erinnerungen an Rivis langes und bewegtes Leben und ihre Prägungen geht es in Lizzie Dorons neuem Roman. Es geht um offene Rechnungen, alte Verletzungen und neue Hoffnungen. Ein Roman aus Textnachrichten aller Art, der einen hineinzieht in die Welt, die Lizzie Doron vor unseren Augen entstehen lässt: eine Welt, die geprägt ist von einem Kosmos an Schicksalen und den grossen Fragen unserer Menschheit.» Nicola Steiner (Leiterin Literaturhaus Zürich)
29.11.: Asmaa Azaizah und Ibrahim Marazka (Hg.), Ein Stein, nicht umgewendet, Schiler & Mücke 2017
«Manches ist rational und dekonstruktiv, anderes blutig und wütend, während einiges kontemplativ, emotional, zart erscheint. Sie begegnen ebenso einer stilistischen Vielfalt, denn manches ist sehr prosaisch angelegt, anderes sehr musikalisch; manch ein Dichter ergreift Partei für das Wort, ein anderer für das Bild oder für die Metapher. Möglicherweise wird diese Anthologie, die mit einer zweisprachigen Übersetzung gesegnet ist, einen Stein im großen Haus der Dichtung legen; auf der langen Straße, deren Name die Welt ist; in der weiten Welt, genannt Individuum.» Asmaa Azaizeh
30.11.: Eyal Weizman, Sperrzonen, Edition Nautilus 2009
Übersetzt aus dem Englischen übersetzt von Sophia Deeg und Tashy Endres
«Dieses Buch untersucht die tiefgreifenden Veränderungen der Besetzten Gebiete seit 1967. Es geht ein auf die Art, wie sich verschiedene Formen israelischer Herrschaft in den Raum eingeschrieben haben, indem es die geografischen, territorialen, urbanen und architektonischen Konzepte und miteinander verzahnten Praktiken analysiert, die diese Herrschaft ausmachen und aufrechterhalten.» Eyal Weizmann
1.12.: Monika Sznajderman, Die Pfefferfälscher, Suhrkamp 2018
Übersetzt aus dem Polnischen von Martin Pollack
«Es besteht kein Zweifel, dass die Autorin … mit den einen mitleidet und sich für die anderen mitschuldig fühlt. Doch sie vergisst gleichzeitig nicht, dass zusammen mit der Welt ihrer jüdischen Vorfahren auch die ihrer polnischen Familie zerstört wurde … Sie sei also Zeugin eines doppelten Weltendes … Auf eindringlichere Weise kann man die Tragik der polnisch-jüdischen Geschichte kaum zusammenfassen.» Frankfurter Allgemeine Zeitung
2.12.: Hubert Haddad, Falastin, Edition Nautilus 2009
Übersetzt aus dem Französischen von Katja Meintel
3.12.: Joan Sfar, Die Katze des Rabbiners, avant verlag 2014
Übersetzt aus dem Französischen von David Permantier
«Über 750 000 verkaufte Exemplare in Frankreich, übersetzt in 15 Sprachen und veröffentlicht in 17 Ländern. Die Geschichte der «Katze des Rabbiners», die einen Papagei auffrisst und dadurch plötzlich sprechen kann ist ein Erfolg. Der Autor erzählt zugleich ein poetisches Märchen, eine Fabel für Erwachsene und gibt dabei profunde Einblicke in das Wesen des Judentums.» kultkino.ch
4.12.: Judith Coffey, Vivien Laumann, Gojnormativität, Verbrecher Verlag 2022
«Goj ist das Wort, mit dem Jüdinnen und Juden nicht-jüdische Menschen bezeichnen. … Menschen mit jüdischen Bezügen haben mit Gojnormativität die Möglichkeit eine eigene Sprache für ihre oft unartikulierten Diskriminierungserfahrungen zu entwickeln. Alle anderen können lernen, was es für Jüdinnen und Juden bedeutet, in einer gojischen Mehrheitsgesellschaft zu leben. Denn Antisemitismus zeigt sich nicht bloß exzessiv, wie im Attentat von Halle an Jom Kippur 5780. Für viele Menschen ist er eine Alltagserfahrung.» Tagesspiegel
5.12.: Mazen Maarouf, Jokes for the Gunmen, Granta 2019
Übersetzt von Arabisch auf Englisch Jonathan Wright
«A debut collection that returns over and over again to the subject of humour as its characters try to make sense of life in a Lebanese war zone…the twelve stories offer a surreal look at the impact of war on the civilian population… An unsettling collection that seeks to showcase loss in all its varied forms.» Irish Times
6.12.: Rosie Pinhas-Delpuech, Le Typographe de Whitechapel, Actes Sud 2021
«Tout comme Brenner travaille à «arracher l’hébreu à la bouche de Dieu» pour en faire une langue humaine, Rosie Pinhas-Delpuech veut arracher Brenner au récit épique du sionisme. Elle veut faire entrer l’histoire de Brenner et des miséreux juifs de Whitechapel dans le récit de tous les apatrides, de tous les misérables, de tous les sans-langues.» RTS
7.12.: Karim Kattan, Le palais des deux collines, elyzad 2021
8.12.: Ayelet Gundar-Goshen, Löwen wecken, Kein & Aber 2016
Übersetzt aus dem Hebräischen von Ruth Achlama
«Löwen wecken ist ein Page-Turner und nebenbei erfährt man viel über die heterogene Bevölkerung in Israel, blickt in menschliche Abgründe und ist dabei gut unterhalten. Die Frage nach der Bedeutung von Schuld und dem Wert eines Menschenlebens hat Ayelet Gundar-Goschen literarisch brillant umgesetzt. Die Schriftstellerin ist im Hauptberuf Traumaterapeutin und arbeitet im Moment mit Überlebenden des Massakers vom 7. Oktober. Sie setzt sich nach wie vor für den Frieden ein. Am liebsten sofort.» Jennifer Khakshouri, Kulturjournalistin
9.12.: Joe Sacco, Gaza, Edition Moderne 2011
Übersetzt aus dem Englischen von Christoph Schuler
«Sechs Jahre lang arbeitete Joe Sacco an einem Band über ein Massaker an Palästinenern vor über 50 Jahren. Die Welt besser verstehen ohne dem Spektakulären zu erliegen; begreifen, wie die Geschichte über Leichen geht – auch das ist Comic.» Arte
10.12.: Claude Lanzmann, Der patagonische Hase, Rowohlt 2010
Übersetzt aus dem Französischen von Barbara Heber-Schärer, Erich Wolfgang Skwara, Claudia Steinitz
«Lanzmanns Film Shoah (1985) ermöglichte den Augenzeugen in 9 Stunden Interviews, öffentlich über alle Details der Massenermordungen von Juden in Europa zu sprechen. Der gewaltsame Tod zieht sich denn auch als Leitmotiv durch dieses umfangreiche Erinnerungsbuch: die Konfrontation mit Todesgefahr, die er selbst in der Résistance erlebte, die Grausamkeit von Hinrichtungen, die systematische Vernichtung von Juden – und der unbändige Überlebenswille, dem er im jungen Israel begegnete.» Bettina Spoerri
11.12.: Ozan Zakariya Keskinkılıç, Muslimaniac, Verbrecher Verlag 2023
«Muslimaniac darf durchaus als Polemik gelesen werden, der Essay enthält eine Menge satirischer und auch – wenn es nicht so furchtbar wäre – durchaus unterhaltsame Passagen. Er dokumentiert das gesellschaftlich und medial vermittelte Framing von Muslim:innen anrichtet, aber auch, was wir tun könnten, um ein Verständnis der Vielfalt des Islam zu entwickeln.» demokratischer-salon.de
12.12.: Maya Arad Yasur, Wie man nach einem Massaker humanistisch bleibt in 17 Schritten, Felix Bloch Erben 2023
Übersetzt aus dem Hebräischen von Matthias Naumann
«Den grauenhaften Bildern und der Schockstarre nach dem terroristischen Angriff der Hamas am 7. Oktober setzt die Theaterautorin Maya Arad Yasur eine künstlerische Antwort entgegen: Ein humanistischer Appell, denn auch auf der anderen Seite der Grenze gibt es Mütter, so das Mantra der 17 Schritte. Ein Theatertext auf der Suche nach Menschlichkeit und Empathie. Unmittelbar und aufwühlend.» Philine Erni (Solothurner Literaturtage)
Lesungen u.a. am 12.12. im Theater Neumarkt und am 14.12. in der Postremise.
13.12.: Gotthold Ephraim Lessing, Nathan der Weise
«Jerusalem während der Kreuzzüge: Drei Weltreligionen treffen hier direkt aufeinander, und es stellt sich die Frage: Welche ist die »wahre«? Lessings Antwort in der berühmten Ringparabel: Das erweist sich in ihrem Streben nach Menschlichkeit. Lessings Lehrstück der Toleranz von 1779 ist heute aktueller denn je.» Reclam
14.12.: Valérie Zenatti, Leihst du mir deinen Blick?, dtv 2008
Übersetzt aus dem Französischen von Bernadette Ott
15.12.: Etgar Keret, Samir El-youssef, Alles Gaza, Luchterhand 2006
Übersetzt von Barbara Linner und Verena Kilchling
«Unser Standpunkt steht im Widerspruch zur Mehrheitsgesellschaft. Unser Projekt ist so was wie ein Versuch zweier Autoren, diejenigen zu motivieren, die die Hoffnung auf Frieden noch nicht aufgegeben haben.» Samir El-youssef in der taz
In den letzten Wochen haben wir in Zusammenhang mit unserer Leseliste viel über Israel und Palästina gesprochen, über Terror und Krieg, aber auch über Bücher und ihre Geschichten. Wir standen im Dialog mit Autor*innen, Übersetzer*innen, Kulturveranstaltenden und Leser*innen – Gleichgesinnte, die gegen Polemik und gegen jeglichen antisemitischen und antimuslimischen Hass Buchtipps gaben; zum Teil wurden sie sichtbar mit persönlichen Empfehlungen, zum Teil blieben sie im Hintergrund. Meist aber aus sicherer Entfernung zu Israel und Palästina, wo seit dem 7. Oktober Wut und Rache zu immer mehr Waffengewalt eskalieren. Eine humanitäre Katastrophe für Gaza: «Den Preis dafür, dass gekämpft statt verhandelt wird, zahlt die Bevölkerung. In Israel und in Palästina», so der palästinensische Friedensaktivist Bassam Aramin, u.a. auch Protagonist des Romans Apeirogon.
Der Dialog, den wir in den letzten Wochen erleben durften, die Tatsache, dass viele unserer empfohlenen Bücher aktuell ausverkauft sind und dass am 12. Dezember 153 Nationen – darunter auch die Schweiz – für einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza gestimmt haben, sind kleine Hoffnungsschimmer. Daran halten wir uns fest und verabschieden uns mit dem 45. und letzten Tipp in die Weihnachtstage. Die Liste bleibt unvollständig, viele weitere Bücher könnten angefügt werden.
Wir wünschen gute Lektüre, besinnliche Festtage und mehr Empathie, mehr Menschlichkeit und mehr Zuhören im 2024.